Der Sieg des großen kleinen Mannes!
Ein
wohl schwarzer Tag in der Renngeschichte der großen deutschen Triumphe bleibt
der 28. Juli 1935. Aus der Sicht von Alfa Romeo allerdings einer der schönsten
Tage seit seinem neunzig jährigen Bestehen.
Die größten Erfolge feierte der legendäre P 3 zu Beginn der 30er Jahre, und so
war dieses Fahrzeug 1935 in Leistung und Technik den deutschen Produkten von
Mercedes und Auto Union leicht unterlegen. Hitler saß seit 1933 in Berlin an der
Macht und bediente sich speziell des Sports um die nationale Selbstdarstellung
auch dem Ausland zu dokumentieren. Außer der Olympiade in Berlin, die für 1936
geplant war, bot sich der Motorsport als Propagandamittel geradezu günstig an.
1934 begann die große Ära der Silberpfeile und auch das Haus Auto Union wollte
da um nichts nachstehen. Für die Konstrukteure herrschte Hochkonjunktur und das
einzige woran man sich mit penibler Genauigkeit halten musste war das
Gesamtgewicht eines F1 Fahrzeuges, das nicht mehr als 750 kg wiegen durfte (seit
1934). Ob 8 oder 16 Zylinder, ob einen oder mehrere Kompressoren, erlaubt war
was Erfolg brachte. Mit Hilfe von finanzieller Unterstützung seitens des Staates
war es also um so leichter schnellere und bessere Renner zu bauen als die übrige
Konkurrenz. So leistete der Mercedes W 25 C beim großen Preis auf dem
Nürburgring 445 PS bei 4,3 Liter Hubraum. Der 16-Zylindrige Auto Union 375 PS
bei 5 Liter Zylinderraum. Der Alfa P3 musste sich mit einer mehr als 100 PS
geringeren Motorleistung begnügen.
Zweihunderttausend Besucher waren an diesem verregneten, kühlen Sommertag an den
Nürburgring gekommen. Sie wollten alle Ihre ldole Rudolf Carraciola, Bernd
Rosemeyer, Hans Stuck oder Manfred von Brauchitsch siegen sehen. Außer den 5
Mercedes und den 4 Auto Union Werkswagen gingen vier Alfa Romeos, gesteuert von
Nuvolari, Balestrero, Brivio und Chiron an den Start sowie die in der
Entwicklung bereits rückläufigen Boliden von Maserati, ERA und Taruffi am Steuer
eines 3,3 Liter Bugattis.
Nach kaum einem Viertel der Renndistanz (Gesamtlänge 22 Runden / 501 km) kämpft
sich der junge Rosemeyer durchs Feld, um auf den Führenden Carraciola
aufzuschließen. Er überholt Fagioli (Mercedes) und Nuvolari und rutscht von der
Strecke, doch nach einem kurzen Boxenhalt kann er das Rennen wiederaufnehmen.
Die Alfa-Armada ist zu diesem Zeitpunkt schon des längeren schwer dezimiert.
Drei Fahrzeuge ausgeschieden, nur noch Tazio Nuvolari dabei. Für die Mercedes
scheint der Tag gelaufen. Doch der kleine Bauernsohn aus Mantua mit der
markanten Hakennase läuft zur Hochform auf. Daß er über 100 PS weniger als die
deutsch Rivalen hat, spornt ihn nur noch mehr an. Auch die Starrachsen vorne und
hinten können ihn nicht daran hindern die deutsche Rennwagenflotte, die mit
modernen Schwingachsen ausgerüstet ist, zu jagen. In der siebenten Runde geht
Nuvolari an von Brauchitsch vorbei, liegt in Runde acht immer noch an dritter
Position und hat dem stark fahrenden von Brauchitsch in der vergangenen Runde 12
Sekunden abgenommen.
Noch
führt Carraciola aber die Mannschaft in den Boxen ist besorgt, der Rudi sitzt
zusammengekauert in seinem Cockpit. Ihm quält ein Bandwurm (welcher ihm am
nächsten Tag operativ entfernt wird). Hinter Carraciola ist Fagioli auf Rang
zwei, doch auch von dem italienischen Nudelfabrikanten können sich die
Mercedes-Leute keinen Sieg mehr erwarten. Als die zehnte Runde zu Ende ist,
erreicht der rote Alfa der Scuderia Ferrari in Führung die Südeinfahrt, Nuvolari
war an Carraciola vorbeigegangen. Nach der elften Runde kommt der vorläufige
Höhepunkt des Rennens, denn die vier Führenden (Nuvolari, Rosemeyer, von
Brauchitsch, und Carraciola) kommen nur wenige Sekunden von einander ge
Zwei Runden vor Schluss sieht der Führende Manfred von Brauchitsch im
Rückspiegel schon das Gewebe der Hinterreifen durchschimmern und gibt seiner Box
Zeichen, dass er noch in der letzten Runde neue Pneus aufziehen will. Doch als
der Mercedes nach 22 Kilometer an Start und Ziel auftaucht, braust er ohne Halt
weiter. Nuvolari liegt nur noch 32 Sekunden hinter ihm. Die Nerven sind bis zum
Zerreißen angespannt, wenn von Brauchitsch etwas verhaltener fahren würde müsste
der Zeitvorsprung zum Sieg reichen.
Doch acht Kilometer vor dem Zielstrich ist das Rennen für Brauchitsch verloren.
Ihm platzt der linke Hinterreifen und er kann im letzten Moment das schleudernde
Fahrzeug in seine Gewalt bringen. Nuvolari zieht vorbei, genießt die letzten
Kilometer, saust über die Döttinger Höhe und ist somit Sieger des großen Preis
von Deutschland. Stuck wird Zweiter, Carraciola dritter, vierter Rosemeyer und
als fünfter geht von Brauchitsch durchs Ziel. Die Alfaleute liegen sich in den
Armen, jubeln über Ihren großartigen Fahrer, und viele Zuschauer erkennen, trotz
der großen Enttäuschung diese einmalige Leistung an.
Hinter Nuvolari liegen acht Deutsche Rennwagen. Er hat mit unterlegenem Material
das Unmögliche geschafft. Als Korpsführer Hühnlein dem kleinen Italiener den
Siegeskranz überreicht, hält er Abstand. Einen deutschen Sieger hätte er wohl
umarmt. Die Zeitungen schreiben am nächsten Tag vom verschenkten Sieg und Pech.
Kaum einer der dem großen kleinen Nuvolari den Sieg gönnt. Keiner erkennt, dass
es erst einmal einer schaffen muss die Mercedes so zu jagen, dass ihnen die
Reifen platzen.
An diesem Tag war Tazio Nuvolari unschlagbar. Keiner hatte gegen Ihm eine
Chance, er war an diesem 28. Juli 1936 nicht zu schlagen, auch wenn er erst in
der letzten Runde in Führung ging. Denn wäre dieser verpatzte Boxenstop nicht
gewesen, wäre der Sieg vermutlich deutlicher gewesen.
"Donne e Motori, Gioie e Dolori." TN